Die schwarze Pfingstrose (Wachs.quest von Midja)


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Sallidii Torika
Published
2 years, 5 months ago
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Es wurde kälter in Larfjord. Während das kleine Reich fast das ganze Jahr über von einer weißen Decke überzogen war, wurde es im Winter besonders fröstelnd. Doch Flora und Fauna waren schon lange daran gewöhnt, sodass die sanfte Königin eines morgens durch ihren schönen Garten schritt. Alpenveilchen, Christrosen und sogar exotische Blüten aus Xideris wuchsen hier, wohlig die Kälte genießend. Doch keine Blume war hier so sehr vertreten wie die Schneeheide. Sie wuchs fast schon überwuchernd in verschiedenen Farben rund herum ums ganze Schloss. Ob sie sich wohl von Wenckes Gatten angezogen fühlten, der diese Blüte auf ewig am seinem Körper trug? Als die Königins Fingerspitzen begannen, ein taubes Gefühl auszustrahlen, beschloss sie, wieder ins Warme zu gehen. Dort kam ihr der Koch des Hauses entgegen, jedoch diesmal nicht mit seinem fast wahnsinnigem Dauergrinsen. Ein seltener Ernst schimmerte in seinem großen Augen. "Wencke!", rief er, noch immer nicht in der Lage, ihren Titel vor ihrem Namen auszusprechen, "Valemon sucht dich. Er hatte tiefe Falten in der Stirn und meinte, es sei sehr dringend. Es ging um die..." Caspar musste kurz überlegen, was das unbekannte Wort noch einmal war, das Valemon Caspar anvertraut hatte. "... Ah! Um die Drillinge! Weißt du, was damit gemeint ist?"

Wencke richtete gerade ihren weichen Schal, als Caspar sie ansprach. Valemon wollte sie dringend sprechen? Sie hielt kurz die Luft an, als der junge Koch das Wort über die Drillinge fallen ließ. Der Gedanke an ihre Töchter bereitete ihr bis jetzt Schmerz.
"Das hat er gesagt?" Schon stürmte sie in das Gebäude zurück, ohne Caspar seine Frage zu beantworten. "Wo ist er denn?"
Vermutlich war er im Lesesaal, weshalb sie sogleich in den Flur bog. Ihre Schritte hallten auf dem Teppichboden nur dumpf durch den Gang.

Und tatsächlich - Valemon stand da, dem Rücken zur Tür gewandt. Seine Schultern waren angespannt, und er war nicht allein. "Hallo!", kam es kurz, und dennoch freundlich von der Fremden. Auf ihren Gruß hin bemerkte Valemon seine Frau, und drehte sich zu ihr um. "Liebste...", seine Stimme und seine Mimik waren nur schwer zu lesen. Unendliche Freude und Hoffnung mischten sich mit Zweifel und Sorge. Der aufeinander ruhende Blick des Ehepaars wurde von zögerlichen Worten der Fremden unterbrochen. "Wenn ich mich vorstellen darf? Mein Name ist Elayne. Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Eure Hoheit.", sagte sie und verbeugte sich tief. "Ich habe frohe Kunde mitgebracht."

Verwundert musterte Wencke die Besucherin, die sich nun vor ihr verbeugte. Sie legte eine Hand auf Valemons Rücken, ohne den Blick von der Fremden abzuwenden. Wie es schien, war die Dame, die ein paar schöner Ziegenbeine zierten, eine Spiritdoll. Genauso wie ihr Valemon.

"Elayne? Welch eine Kunde ist es denn?" Die Herrin versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.

"Ein Kundschaftler Eures Gatten hatte mich erreicht und ich erfuhr, dass Euch bereits der Segen der Elternschaft auferlegt wurde. Was, wenn ich Euch nun mitteilte, dass Ihr sie wiedersehen könntet, hier in dieser Welt?" Ein mysteriöses Lächeln umrang ihre Lippen und Valemon verspannte sich noch mehr. Er war selbst überrascht von sich. Sein ganzes Leben lang in Lárfjord hatte er sich nichts lieber gewünscht - hatte bereut, bereits die ersten Lebensjahre seiner Töchter verpasst zu haben - und nun, wo sein Ziel in greifbarer Nähe war, zweifelte er?

Sie wusste davon? Welcher Kundschafter würde so etwas in die Welt hinausposaunen? Sie selbst hatte nahezu niemanden von ihrem Leben im Buch erzählt. Wencke blickte kurz zur Seite, als sie ein Rascheln vernahm. Abgesehen davon war Ares nahezu lautlos in den Raum getreten, musterte die Besucherin genaustens und nahm seine Position hinter der Herrin ein.

"Er hat euch über unsere Töchter erzählt?" begann sie vorsichtig. "Und jetzt wollt ihr uns helfen, sie zurückzubekommen?" Auch Sie zweifelte. Ihre Lage war misslich, und sie würde einiges geben, ihre Töchter wiederzusehen.

"Ihr denkt sicherlich, dieser Gefallen hat seinen Preis." Setzte Elayne fort, als hätte sie die Gedanken der Herrin gelesen. "Aber ich bin nicht hier, um euch mich euren eigenen Kindern zu erpressen. Ich will euch wirklich helfen - aber es wird nicht einfach."

"Ich tue alles.", kam es schnell wie ein Pfeil aus Valemon herausgeschossen. "Ich werde alles tun, egal wie gefährlich.", wiederholte er, absichtlich nur in seinem Namen sprechend. Er wollte seine Geliebte jede Gefahr ersparen, die er nur konnte. Doch erneut schien die mysteriöse Frau seine Gedanken zu lesen. "Jedoch wird es nicht reichen, wenn Ihr alles gebt. Es ist ein Liebesbeweis, der von beiden Elternkommen muss - von der Mutter genauso wie von dem Vater."

"Und... was wäre dieser Beweis?" Fragte Wencke vorsichtig. Was würde auf sie zukommen? Könnte sie ihren Herrenstatus verlieren? Das wäre doch Katastrophal, für sie ebenso wie für das Königreich Lárfjord.

Auch Valemon starrte skeptisch drein und erwartete ungeduldig eine Antwort. Die Spiritdame ließ das Ehepaar einige Momente lang warten, bis sie schließlich entgegnete: "Diese Macht, Kinder in dieser Welt zum Leben zu erwecken, hält sich in der schwarzen Seerose versteckt. Jedoch entscheidet sie selbst, ob sie gefunden werden will - und ob sie Euch für würdig glaubt. Sie ist weit fort von hier zu finden - in einem Ort namens "das Todesgeröll" - und liegt im unbekannten Land Xideris. Xideris? Der Eisbär überlegte. Es klang plausibel - zumindest für ihn, da er kaum etwas über die Welt der Lederdolls kannte. Dass dies erlogen war, konnte Valemon mit seiner geringen Dollkenntnis nicht erkennen.

"Xidercis?" Wencke sah zögerlich zu ihrem Gatten. "Das sagt mir nichts..."

Sie dachte zurück an ihre Kinder. Damals hatte ein Fremder ihnen den Gluttrank geschenkt, als eine Art nachträgliches Hochzeitsgeschenk.

"Ein Todesgröll, das klingt... gefährlich. Warum sollte die Pfingstrose sich da aufhalten..."

Elayne zuckte mit den Schultern. "Leider konnten wir sie hier nicht kultivieren," erklärte sie. "Xidercis erreicht man per Schiff... oder aber per Portal. Und für das Portal muss man etwas opfern, dass einem sehr wichtig ist. Ein Schiff dauert lange und oft werden diese im Sturm versenkt,…"

"Dann scheint das Schiff keine Option zu sein.", meinte Valemon trocken. "Wie soll dieser Gegenstand aussehen, der uns wichtig ist?" Spontan fiel dem Spirit nichts ein, was ihm unglaublich wichtig wäre. Außer vielleicht... Sein Schwert? Er hat es erst vor Kurzem gelernt zu meistern, und sich damit von seiner Eisbärform verabschiedet... Anscheinend nur temporär.

"Es sollte ein Gegenstand sein, ohne den ihr kaum zu leben vermögt." Nun wirkte Elayne besonders ernst. "Ein Gegenstand mit einer kostbare Erinnerung zum Beispiel."

Wencke musste überlegen. Als Königin hatte sie viel, dass sie mit ihrem Leben verband. Was käme hier in Frage? Es dauerte einen Moment, ehe es ihr dämmerte.

Auch Valemon hielt inne, als ihm einfiel, was nicht er, sondern seine Frau aller Wahrscheinlichkeit abgeben musste. "Aber... Aber was würde das bringen? Etwas zu geben, ohne das wir nicht leben wollen?" "Ihr müsst beweisen, was ihr für Eure Kinder opfern würdet. Man könnte es die erste Hürde nennen."

Elayne beugte sich leicht vor.

"Ausserdem ist es nötig, dass man eine starke Bindung zu diesem Gegenstand hat, denn nur so kann er als Anker dienen. Ohne diese Bindung könntet ihr, wenn ihr das Portal nutzt... verloren gehen."

"Verloren?" Wencke war verunsichert.

"Verloren. Nicht ganz in dieser Welt und auch nicht in der Anderen. Deshalb müsst ihr euch gut überlegen, was euch mehr Wert ist... der Wille, das Portal zu nutzen, oder der Gegenstand, der als Anker dient."

Elayne stand auf. "Ich kann euch etwas Zeit geben, es euch zu überlegen und euch einen Gegenstand auszusuchen. Dann zeige ich euch das Portal."

Viele Jahre verstrichen ins Land, in denen sich Valemon ausmalte, was er für seine Kinder opfern würde. Wie herausforderungsreich die Reise wäre. Und dennoch war er nicht darauf vorbereitet, nun vor so vollendeten Tatsachen gestellt zu werden. Die Reise wäre gefährlich. Und noch dazu würde sie auch seine Frau gefährden... Er könnte sich nie verzeihen, wenn sich Wencke dadurch verletzen würde. Und dennoch...

Als Elayne bereits das Schloss verlassen hatte, saß das Königspaar gemeinsam im Wintergarten und überlegten. "Gegenstände... Meiner wäre vermutlich meine Maske. Und für dich... Deine Krone.", sagte er nachdenklich.

"Ja," erwiederte Wencke leise, "wir werden diese Dinge wohl aufgeben müssen. Für unsere Mädchen..." Dann sah sie auf.

"Aber ich wäre bereit."

Der König nahm langsam Wenckes Hand zwischen seine und küsste sie. "Dann bin ich es auch.", flüsterte er mit einem schwachen Lächeln auf dem Gesicht. Die Porzellanherrin hatte bereits ihre Stärke bewiesen, als sie eine Klippe aus eigener Kraft erklamm. So wusste Valemon, dass er sie nicht zu unterschätzen bedürfte. "Lass uns Vorbereitungen treffen und uns dann zu dieser Frau aufmachen.

Wenig später wanderte das Paar an Elaynes Seite zum Portal. Alles ging merkwürdig schnell. Valemon konnte sich kaum an den Weg zu dem eigentlich weit entfernten Artefakt erinnern. Merkwürdig...

Das Portal war dunkel wie die Nacht, leichte blaue und lilane Lichtpartikel bewegten sich wie Glühwürmchen darin. Beängstigend und wunderschön zugleich... Der Spirit drückte fest die Hand seiner Frau. "Hier wären wir.", sagte Elayne, "Weiter werde ich Euch nicht begleiten können. Habt ihr an die Euch wichtigen Gegenstände gedacht?"

Fasziniert betrachtete Wencke das Portal. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Und da sollte man hindurch? Sie schluckte schwer bei dem Gedanken, hindurchgehen zu müssen. Und, wenn es schlecht lief, verloren zu gehen...

Als sie Elaynes Worte hörte, fasste Wencke automatisch an die Schleifchen, die von ihrem Kranz herab hingen. Das Schmuckstück, das Valemon ihr zu seinem Antrag geschenkt hatte, der schicksalshafte Gegenstand, der sie verband. Langsam griff Wencke nach oben und hob ihn vom Haupt.

Traurig sah Valemon Wencke dabei zu, wie sie ihren Liebesbeweis, den Gegenstand, mit dem ihr Glück begann, abnahm und Elayne reichte. Er sah ihr ihren Schmerz deutlich an.

Doch als die beiden Frauen zu Valemon blickten, zögerte er. In ganz Docordis kannte nur eine handvoll Dolls sein Gesicht, und das fand er auch gut so. Dennoch: wenn er nicht einmal seine Anonymität opfern - und sich seiner großen Angst stellen - kann, hat er es nicht verdient, seine Töchter wiederzusehen.

Also nahm auch er seine Kopfbedeckung ab - die Maske, die er schon seit Jahren trug und pflegte - und legte sie behutsam in Elaynes ausgestreckte Hand. Dabei sah er nicht auf.

"Ich merke Euch an, wie viel Euch dieser Schritt gekostet haben muss.", flüsterte irre Spiritdame ehrfürchtig, "Ihr dürft nun das Portal betreten. Ich wünsche Euch alles Glück der Welt und denkt daran - Ihr werdet die Seerose nur am höchsten Punkt von Xideris finden."

Nervös griff Wencke nach Valemons Hand. Gleich würden sie ins Unbekannte treten... würde es funktionieren? Würde die Pfingstrose wirklich ihre Töchter hervorbringen?

Die Herrin atmete tief durch. Dann machte sie den ersten Schritt- direkt in das Portal hinein.

Es war düster. Nicht das Portal, nein, sondern ihr Ausgang. Der Himmel war grau tristlos, und es sah so aus, als könnte es jeden Moment anfangen zu regnen. Die Bäume waren karg und vermutlich gar nicht mehr lebendig. Als Valemon sich umsah, erkannte er sofort, wo sie hinmussten - und das gefiel ihm ganz und gar nicht. In der Ferne ragte ein steiler Berg gen Himmel impor, dessen Spitze dieser Welt ein wenig Licht und Hoffnung spendete. Zwischen dem Ehepaar und diesem Berg lagen jedoch unzählige Meilen.

Wencke war überrascht darüber, wie diese Welt aussah. Das karge Land erinnerte Sie fast an ihre ehemalige Heimat, mit mageren Sträuchern, flechten und gelegentlichen verschneiten Stellen. Eine typische Tundra, die sie nur von ihren seltenen Ausflügen ihrer Vergangenheit kannte. Also garnicht man so fremd.

Hoffnungsvoll sah sie zu Valemon. "Das schaffen wir schon. Wir sind auch damals drei Tage gereist…"

"Ja... ja, du hast recht. Ich glaube an uns." So machten sich die beiden auf den Weg, mit Rucksäcken voll nützlicher Werkzeuge und Gems gefüllt mit Hoffnung und Zuversicht. Der erste Tag verlief dabei überraschend ereignislos. Valemon war es nicht mehr gewohnt, derart weite Strecken zu laufen, aber es machte ihm zu wenig aus, als dass es ihre Reise behindert hätte. Doch bald schon schlich sich die noch dunklere Nacht an, und das Duo kam an einem Waldrand zum Stehen. "Hier sollten wir nächtigen.", schlug Wenckes Gatte vor und streckte seine Hand aus, um ihre Wange zu streicheln. "Ich kann ruhig die erste Schicht der Wache übernehmen. Du siehst erschöpft aus, Liebste…"

Wencke rieb sich die Augen. "Ja, es war recht beschwerlich. Aber wir haben einiges heute erreicht... Wenn ich dich ablösen soll, dann lass es mich wissen, ja?" Und sie zog eine dünne Decke aus ihrer Tasche, um diese auf dem moosigen Waldboden auszubreiten.

Valemon nickte ihr lächelnd zu und machte sich anschließend daran, ein Lagerfeuer zu entfachen. Damit hätte er vermutlich einige Schwierigkeiten gehabt, da er schon viele Jahre lang keines selber mehr entfachen musste. Doch er brachte etwas Nützliches mit: Feueranzünder und etwas, das sich Feuerzeug nannte. Nachdem das Feuer erfolgreich unter dem trüben Himmel zu knistern begann, setzte sich der Spirit zu seiner Frau und streichelte ihren Kopf. "Schlaf gut... Ich liebe dich sehr.", flüsterte er noch, ehe er ihre Stirn küsste.

Wencke sah zu, wie Valemon das Feier entfachte. Die warmen tänzelnden Flammen hatten etwas beruhigendes, das Knistern des Holzes war vertraut.

Sie lächelte zufrieden, als Valemon ihre Stirn küsste. "Ich liebe dich auch," flüsterte sie zurück. Dann schloss sie die Augen, geborgen und geschützt, und fiel bald in einen tiefen Schlaf.

Ein Schichtwechsel und ein ausgebranntes Lagerfeuer später brach der Sonnenaufgang an. Valemon wurde schon wach, bevor seine Frau ihn wecken konnte, und er richtete sich guter Dinge und mit einem großen Gähnen auf. "Ich habe von unseren Töchtern geträumt.", sagte er mit einem Blick, der Frieden und Wärme ausstrahlt. "Und wie war die zweite Hälfte der Nacht? Bist du müde und möchtest du dich noch einmal hinlegen, bevor wir aufbrechen?"

Verschlafen rieb sich Wencke ein Auge, ehe sie die Wange ihres Mannes tätschelte.

"Das heisst wohl, wir sind unserem Ziel so nah." Und sie stand auf um ihr Lager abzubrechen.

"Nein ich kann nicht mehr länger warten. Ich will sie finden." Kurze Zeit später war das Paar wieder auf den Beinen. Der Fuße des Berges rückte immer näher und Wenckes Gem pochte schon ganz wild. Doch die größte Herausforderung lag noch vor ihnen. Und ein weiterer ermüdender Fußmarsch später standen sie an dessen Fuß - der größte Berg Xidercis'. "Wie... Wie gehen wir an besten vor?", fragte der Spirit zögerlich. Er ärgerte sich heimlich dabei, dass er nicht einmal in seiner Tierform klettern konnte.

"Es muss sicherlich einen Pass geben," Überlegte Wencke. "Wenn wir diesen finden, wird es schon funktionieren. Da bin ich versichert. "

Und sie begann, den Berg nach einer geeigneten Stelle für den Austieg zu umkreisen. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont, und es wurde schwieriger, etwas zu erkennen.

"Hier können wir doch hoch und ein Lager errichten!" Schlug Wencke dann vor uns zeigte auf eine flache Stelle, nur wenige Meter über ihnen. Ein wenig Gras krönte den Boden dort. Und sogleich begann sie den Aufstieg, vorsichtig, um sich nicht an den Felsen zu verletzen.

Valemon schaute ihr besorgt nach, ehe er selbst begann, zu klettern. Stets dicht hinter seiner Geliebten, die er im Notfall fangen könnte. Schließlich kamen sie am Vorsprung an und schlugen ihr Nachtlager auf.

Die Nacht verlief ruhig. Und der Spirit erwischte sich beim weiteren Erklimmen des Berges bei einer Frage: 'Ist es nicht etwas zu ruhig? Zu friedvoll?' Da kamen sie auch schon am Gipfel an.

Erleichtert streifte Wencke die ledernen Handschuhe ab, die sie für die Reise mitgenommen hatte, um sich beim erklimmen des Berges keinen Schaden in ihrer Porzellanhaut zuzuziehen.

Erschöft strich sie eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, aus dem Gesicht und sah sich um. Die Spitze des Berges war nicht, wie sie erwartet hatte - nachdem sie den höchsten Punkt überwunden hatten, befanden sie sich in einer beinahe kreisrunden Senke. Und ihrer Mitte war die schwarze Pfingstrose.

Wenvke stockte der Atem, als sie die Lava bemerkte. Rund um das versprochene Gewächs hatte diese sich zu einem Teich aus glühender Masse gefunden, breit genug, dass man nicht einfach mit den Händen nach der Pflanze greifen konnte.

Und von ihren Töchtern war auch keine Spur.

So nah und doch so fern. Wie konnte an einem frostigen Ort wie diesen nur Lava fließen? Die Hitze machte Valemon auch in seiner Dollform zu schaffen. War Holz nicht leicht entzündlich?

Der König grübelte. Er wurde nun nicht mehr umdrehen, komme was wolle. Andererseits würde er auch nicht seine Frau unnötiger Gefahr aussetzen wollen... "In meiner Bärenform bin ich größer.", begann er schließlich das Schweigen zu brechen, "Und schneller. Ich könnte versuchen, Anlauf zu nehmen und zu springen."

Wencke schüttelte den Kopf. "Und wo willst du landen?"

Sie sah sich noch einmal in der Senke um und ihr Blick blieb an einem überraschend runden Felsen hängen.

"Siehst du den? In deiner Tierform sollte es ein Kinderspiel sein, diesen Felsen in die Lava zu schieben. Dann kann ich von deinem Rücken aus darauf klettern und die Blume nehmen."

Zu zweit gingen sie hinüber.

Der Einfall war wirklich nicht schlecht, dachte Valemon. So verwandelte der Spirit sich ohne zu zögern in seine Eisbärenform und schob den Felsen in die heiße Lava.

Wencke ging neben ihren Gatten her, während er den Felsen in die Lava schob. Dann begann sie, ihr Kleid auf Oberschenkelhöhe hoch zu knoten. Sie kletterte auf Valemons rücken und begann, vorsichtig, sich zum Felsen vorzuarbeiten.

Valemon streckte seinen Hals so weit, wie die Hitze es zuließ. So konnte Wencke auf den Felsen springen.

Die Hitze war auf einmal unerträglich. 'Platzt Porzellan nicht in der Hitze?' Schoss es Wencke durch den Kopf, doch dann schob sie den Gedanken schnell zur Seite. Angestrengt streckte sie die Arme nach der Pflanze, während ihr der Schweiß über die Stirn rann.

Noch ein Stückchen... so kurz davor... ihre Fingerspitzen berührten schon das Blatt...

Wencke rutschte ab.

____

Elayne keuchte schwer. Sie war so gebannt davon, den Traum des Königspaares mit zu verfolgen, dass sie die Leibwache im Raum völlig vergessen hatte. Und der hatte, nachdem seine Herrin nicht auf seine Rufe reagierte, die Spirit anvisiert.

Mit eisernem Griff hielt er Elayne an den Schultern, während er über sie gebeugt war. Elayne sah nun auf, seine stechend gelben Augen schienen sich schier in sie hineinzubohren. Und mit ausgebreiteten Flügeln wirkte er beängstigend riesig. Ein Wimmern entwich ihr, als er knurrend seine Finger in ihre Haut bohrte.

"Was hast du getan."

Die wutgepresste Stimme der Fledermaus glich einem Zischen.

"Sie... schlafen nur..." Elayne brachte die Worte nur mit Mühe hervor.

"A-aber sie wachen gleich auf!"

Es dauerte einen Moment, bis Valemon merkte, dass er schrie. Mit seinen Tatzen hätte er seine Frau niemals rechtzeitig fangen können... Dann schreckte er schweißgebadet hoch. Sich instinktiv an sein Gesicht fassend, merkte er, dass er noch immer seine Maske trug. Benommen sah er sich um, um die noch schlafende Wencke, ihren Leibwachen und die fremde Doll zu erblicken. "Was...", flüsterte er leise und verwirrt, "Was geht hier vor sich?

Ares begann, Elayne zu schütteln.

"Weck sie auf!"

Verzweifelt wand sich die Spirit in seinem Griff, den er sofort löste, als die Stimme seiner Königin es befahl. Er sah hinüber und zu seiner Erleichterung waren beide bei Bewustsein.

Elayne kauerte am Boden, strich über ihre schmerzenden Schultern. Sie traute sich kaum, zu dem Paar rüber zu sehen. War sie zu weit gegangen? Noch nie hatte sie ein Paar so auf die Probe gestellt.

"Ihr habt bestanden." Murmelte sie.

"Ich werde euch den Gluttrank geben."