Mein Stern


Authors
Torika
Published
2 years, 4 months ago
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Überraschend viele Gäste waren an diesem Abend im Kasino. Dolls, die keine Verwandschaft hatten, keine Freunde, oder einfach nur Dolls, die kein traditionelles Weihnachtsfest feierten.
Sie alle verbrachten ihren Abend lieber damit, ein paar Gläser Wein zu trinken und einen haufen Chips auf die 11 im Roulette zu setzen. Vielleicht zockten sie auch lieber beim Black Jack mit, oder aber sie genossen einen warmen Apfelkuchen, während sie die Performance von Zaira bestaunten, die auch an einem so großen Feiertag ihre Zeit auf der Bühne verbrachte. Sie drehte sich ein letztes mal, ehe sie sich vor dem Publikum verbeugte. Eifriger Applaus folgte.
Howard polierte konzentriert die Gläser an der Bar, während er versuchte, nicht zu sehr darüber nachzudenken, wie Lenore doch ihre Klauen um die kleine Steindoll geschlagen hatte. Genau so sehr wie um ihn.
Aber er war an seiner Situation selbst Schuld - Zaira nicht. Sie war von Lenore erweckt worden und nun stand sie unter ihrer Knute. Was war sie ihr noch schuldig? Und wie lange? Sie schlug schön Profit aus Zairas Talent, behandelte sie regelrecht wie eine Sklavin, sie-
Das Weinglas in Howards Hand zersprang. Er hatte es zu fest poliert.
Schnell sah er auf, seine Augen huschten von links nach rechts. Gut, niemand hatte den Patzer bemerkt, und von Plumeria war weit und breit nichts zu sehen. Nochmal Glück gehabt.
Er schob die Scherben mit einem Lappen zusammen und ließ sie unter der Theke verschwinden.
Der Applaus verebbte und Zaira verschwand hinter dem Vorhang. Ob sie heute noch Auftreten würde? Vielleicht würde sie ihre Pause an der Bar verbringen, und er könnte mit ihr reden... am liebsten würde er aber Privat mit ihr sprechen.
Zairas klangvolle Stimme holte Howard in die Gegenwart zurück.
"Und? Wie fandest du die Aufführung?"
Sie saß nun auf dem Barhocker an seinem Tresen. Wie war sie so schnell hierher gekommen? Sogar umgezogen hatte sie sich. Und ein erwartungsvolles Lächeln zierte ihr Gesicht.
"Es war... umwerfend. Wirklich." Erwiederte Howard so verlegen, dass es fast schon unglaubwürdig klang. Schnell redete er weiter.
"Die Aufführung war klasse. Aber vor allem das Lied, dass du gesungen hast... ja, es war toll."
Es war so viel einfacher, sich mit Pflanzen zu unterhalten. Vielleicht sollte er sich einfach vorstellen, Zaira sei ein Kaktus. Ein sehr schöner Kaktus.
"Also... dann freut es mich, dass es dir gefallen hat." Peinlich berührt spielte Zaira mit einer ihrer Haarsträhnen.
"Willst du kurz mit mir raus?" Platzte es aus Howard hervor. Die Steindoll wirkte überrumpelt.
"Oh, ähm klar. Nach draußen, in die Seitengasse, ja?" Fragte sie. Howard nickte.
Die Gäste wirkten alle mit sich selbst beschäftigt, und so nahm er Zaira an die Hand, um sie durch den Personalausgang nach Draußen zu führen.
Die Nacht war klar und wie immer konnte man im schmalen Spalt zwischen den beiden Gebäuden die Sterne glitzern sehen. Wie damals, als Zaira und er ihren Teil dazu beigetragen hatten, den Lebensbaum zu retten.
Nur jetzt war es ziemlich kalt und die kleine Steindoll tippte von einem Fuß auf den anderen, während sie die Arme um den Oberkörper schlang.
"Was wolltest du mir zeigen?" Ein Nebelhauch erschien, als Zaira sprach.
Howard griff in seine Hosentasche und holte einen kleinen Schlüssel hervor.
"Ich habe ein... kleines Weihnachtsgeschenk in meinem Spind für dich. Weil du heute arbeiten musst... du kannst es dir gerne abholen."
Er überreichte ihr den Schlüssel. Zairas Augen wurden groß.
"Aber Howard, du musst doch auch arbeiten! Und ich habe gar nichts für dich...!" Sie hob abwehrend die Hände, doch Howard dachte nicht mal daran, den Schlüssel wieder einzustecken. Stattdessen ergriff er Zairas Hand und legte ihn in ihre Handfläche.
"Ich muss jetzt wieder an die Bar. Wir sehen uns später!" Und so stürmte er zurück in das Kasino.
Verblüfft sah Zaira ihm nach, ehe sie ebenfalls durch die Tür huschte, den Schlüssel in der Hand. Zugegeben, sie war neugierig. Also machte sie sich auf zum Umkleideraum der Herren, um Howards Spind aufzusuchen. Er war leicht zu entdecken; ein Sticker von einer Sukkulente klebte über dem Schlüsselloch. 'Be happy and smile!' Stand darüber geschrieben. Zaira steckte den Schlüssel ein und drehte ihn herum.
Der Spind war wohl normalerweise sehr leer. Nur wenige Dinge waren ordentlich darin aufgereiht, aber diese fielen Zaira überhaupt nicht auf. Was ihr als allererster ins Auge sprang, war die leuchtend rote Blume, die grade noch so in das Fach passte.
Vorsichtig zog Zaira den Topf heraus. Auf den Blüten des Weihnachtssterns war goldener Glitzer draufgesprenkelt worden, der jetzt herabregnete. Und an einem der Zweige war ein kleiner Zettel angehängt. Zaira drehte ihn um.
"Weil du mein Stern bist."