Ein unglücklicher Tag

Knurrend scharrte Ronny mit den Hufen in ihrem Kompost, in dem eines ihren Hopfen Pflänzchen gewandert war. Nachdem die wunderliche Doll, die aus der gruseligen schwarzen Seerose gekrochen kam, hier vorbei gekommen war, hatte sie das Pflänzchen berührt und schon war es hinüber. Ronny war sehr wütend darüber, als sie kurz darauf das faulige Gewächs an seinem Draht entdeckte. Sie musste es mit der Wurzel hinaus reißen und entsorgen. Glücklicherweise hatte sie viele weitere Pflanzen und wie es schien, würde Abelia den seltsamen jungen Mann nun fern halten.
Sie klopfte ihre Schürze ab, schaute noch einmal übers Feld, dass sie heute den gesamten Tag gepflegt hatte, ehe sie kehrt machte und nach Hause ging, um sich umzuziehen. Vielleicht würde sie heute Abend wieder in Shannas Bar gehen, sich einen Schluck Wein gönnen und ein weiters Schwätzchen mit Einar, den Hünen aus der Stadtwache halten. Der Gedanke heiterte sie zumindest ein kleines Stück auf.
An der Türe ihrer Hütte kam es jedoch anders, stand da doch Charly, das Blinde Pony, davor.
Es war eine Weile her, seit Ronny sie das letzte mal gesehen hatte. Und Charly schien noch schlechter gelaunt als sie selbst zu sein.
"Ronny, bist dus?" schnaubte sie. und Ronny nickte, ehe ihr wieder einfiel, dass das in Charlys Gegenwart ja nicht viel nützte.
"Ja Charly, was gibts?" Sie ging an ihr vorbei und schloss die Türe auf.
"Rate mal was passiert ist!" Ehe Ronny auch nur den Mund aufmachen konnte, sprudelte sie aufgebracht drauf los. "Ich war auf den Weg zu Grani, weil ich spät dran war, hab ich mich unterwegs schminken wollen. Dummerweise hatte irgendjemand seinen blöden Obstwagen mitten im Weg rumstehen und ich bin dagegen gekommen."
"Ah, blöd. Hast du dir wehgetan?" Entgegnete Ronny.
"Nein, aber mein Lippenstift ist in den Obsthaufen gefallen! Also wollte ich ihn raussuchen, und was kommt da? Diese neue Doll! Sie hat den Lippenstift wohl rausgezogen, und da ist er einfach geschmolzen. GE-SCHMOL-ZEN!"
Ah, noch eine unglückliche Begegnung mit dem Teufel, dachte sich Ronny.
"Das war mein Lieblingsstift! Die Farbe war perfekt! Ich brauch jetzt einen neuen... kannst du mir den besorgen? Bitte!" flehte sie aufgebracht.
Ronny ließ sie ins Haus rein. "Wo hast du den nochmal immer gekauft? Der ist doch am anderen Ende des Dorfes..."
Ihr Gegenüber nickte. "Ich komm auch mit! Aber ich will nicht den ganzen Weg alleine laufen..."
Ja, das leuchtete ein. Ronny willigte ein, schließlich konnte sie Charly nicht hängen lassen. Die hing an ihrem Schminkzeug, und bei einem guten, verlorenen Lippenstift konnte Ronny nur mitfühlen.
"Gib mir einen Moment, ich ziehe mich nur schnell um. Nimm doch solange Platz..." Und schon huschte Ronny nach oben, warf ihre erdige Kleidung in den Wäschekorb und zog etwas schickeres an. Zwar brauchte sie selbst nichts aus dem Kosmetikladen, aber wenn sie einer Freundin helfen konnte, war sie immer zur stelle. Und Charly mit ihrer lockeren Zunge war doch wahnsinnig unterhaltsam.
So kam sie bald wieder runter, bot Charly den Arm zum Einhaken an und führte sie, während die Glocken des Dorfes schon fünf schlugen, zum Laden, um ihr einen neuen Lippenstift rauszusuchen.