Babysitten


Authors
Sallidii Torika
Published
1 year, 11 months ago
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1087

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„Pilar, bitteee. Wofür hat man denn Freunde?“, fragte Mira mit ihren buchstäblich funkelnden Augen. Sie sah so aus, als würde sie vor ihrer Freundin auf die Knie fallen wollen, wenn nötig. Mitleidig wedelte das Zobiris mit ihren zusammengefalteten Händen vor Pilars Gesicht, in der Hoffnung, dies könnte ihre Meinung ändern. „Sie sind alle wahre Engel, aber ich kann mich nicht um den kranken Boris kümmern und seine Medizin besorgen, wenn sie um uns herum wuseln und er sie dann auch noch ansteckt! Ich habe doch nur dich!“ Steinpocken sind eigentlich nicht auf Geister übertragbar, dachte das Frosdedje sich. Und dass Mira überhaupt in Erwägung gezogen hatte, Ann zu fragen, bezweifelte sie ebenfalls. Doch irgendwie schaffte Mira es, ihr Herz zu erwärmen. „Nun gut. Aber nur bis morgen früh, wenn du aus Ewigenau zurück bist. Und nur deine zwei Kleinen!“ Mira atmete erleichtert auf und stupste Pilar gegen ihren großen Baby Bauch. „Ich bin dir auf ewig dankbar. Und hey, das ist doch ein gutes Training für euch!“

So betrat Pilar mit dem dreijährigen Glenn und der einjährigen Alisa ihr frisch bezogenes Einfamilienhaus. „Dimi wird mich umbringen“, seufzte sie leise zu sich selbst, als sie die Tür ins Schloss fallen ließ. Sie hatte die Hoffnung, er würde lange arbeiten und die beiden Kleinen bei seiner Rückkehr bereits schlafen. Doch weit gefehlt. „Schatz?“, hörte sie aus der Küche kommen und schrak überrascht zusammen. „O-oh, hallo Schatz!“, stotterte sie zurück, „Was machst du denn schon hier?“ – „Abard ist krank. Irgendwas mit Pocken, die Sitzung ist ausgefallen.“ – „Oh, die hat mein Papa auch gerade!“ Nach der Einmischung einer dritten fiepsigen Stimme herrschte kurz Stille. Dann steckte Dimenzio seinen Kopf aus der Küche und blinzelte das Mini-Zobiris an, das Pilars Hand hielt… und einen Rucksack um die Schultern trug. „Glenn?“, brachte er nur verwirrt heraus, der mit seiner freien Hand auf Pilars Arm zeigte, in dem seine kleine Schwester seelenruhig schlief. „Alisa auch!!“

„Entschuldige bitte, Dimi!“, schniefte Pilar ähnlich mitleidig wie Mira, nachdem sie Glenn außer Hörreichweite Papier und Stifte zum Malen gegeben hatte, „Aber Boris ist gerade so krank und Mira braucht bestimmte Medizin, die wir hier als Geister nicht führen…“ Dimenzio, nicht wütend, aber auch nicht gerade erfreut, nahm ihre Hand und sah sie an. „Pilar, du bist hochschwanger. Und ich muss arbeiten, auch wenn die eine Sitzung ausfiel. Ich habe noch andere Termine. Wie sollen wir uns da um zwei Kleinkinder kümmern?“ – „Also… mir geht es gerade gut und Alisa schläft sehr viel. Und Mira versicherte mir, der Große könne sich gut selbst beschäftigen. Es ist ja nur bis morgen.“ – „Bis morgen??“ Pilar sah weg. Egal wie sie sich entschieden hätte, sie hätte am Ende jemanden enttäuscht. Dimenzio seufzte einmal laut und ließ ihre Hand los. Als seine Frau besorgt das Gesicht hob und eine weitere Entschuldigung murmeln wollte, stand er schon am Telefon und wählte eine Nummer. „Was machst du da?“, fragte sie, als er den Hörer an seine Schläfe hob. „Ich schreibe mich heute krank. Sollte es dir nicht gut gehen, kann ich für dich einspringen.“

Nach dem knappen Telefonat fiel Pilar ihrem Mann um den Hals, soweit es mit ihrem Bauch möglich war. „Du bist wirklich der größte Schatz.“, flüsterte sie ihm ins Ohr, woraufhin er grinste. „Jemand muss ja für deine ganzen Fehlentscheidungen einstehen.“, neckte er und kassierte dafür einen wohl verdienten Kniff in seine Wange. Die beiden Turtelnden sprangen auseinander, als sie einen lauten Knall aus der Küche vernahmen. „Glenn!“, rief Pilar panisch und sprintete ins Zimmer, in dem der Junge bei seinem Versuch, auf die Schränke zu klettern, einen Topf zu Boden poltern gelassen hatte. „Was tust du da??“, fragte Dimenzio, der nun neben seiner Frau stand und zu dem kleinen Zobiris eilte, um ihn von der hohen Schranktür zu zupfen. „Die will ich haben!“, antwortete das sich windende Kind und zeigte auf die Keksdose, die auf dem Kühlschrank stand. Pilar sah ihrem Gatten an, dass er sich stark zusammenriss, Glenn nicht zusammenzustauchen. „Für so ein Verhalten bekommst du keine Belohnung.“, brachte er mit gepresster Stimme raus und setzte das Kind ab, das eingeschnappt aus dem Zimmer lief. Pilar folgte ihm und musste mit Schrecken feststellen, dass Alisa nicht mehr schlafend auf der Couch lag. Sie war weggekrabbelt und kaute nun wie ein Hund an einer Ecke des Wohnzimmertisches. Dimenzio folgte Pilars erschrockenem Blick. „Wahre Engel.“, war alles, was er zu der Situation hervorbringen konnte.

Als am frühen Morgen Mira an die Tür klopfte, öffneten ihr zwei sehr lebendige Kinder und ein umso erschöpfteres Ehepaar. Dass sie Leichen aus Horrorfilmen ähnelten, verschwieg die mehrfache Mutter getrost. „Mama!!“, kam es heilfroh von den Kindern geschrien, als Mira ihre zwei Jüngsten in die Arme schloss. "Na ihr zwei, wart ihr auch schön artig?" Glenn nickte stolz. „Ich hab ganz viel gemalt und durfte viele Kekse essen!“ Dimenzio seufzte. "Anders war der Knirps nicht ruhig zu stellen. Wie schaffst du das mit fünf Kindern?“ — „Sieben.“, wurde er korrigiert, „Und es ist alles eine Sache der Übung.“

„Übung?“, wiederholte das Traunmagil fast schon entrüstet zu seiner Gattin, nachdem sich Mira und die Kinder verabschiedet hatten, „Wenn so ein wohl erzogenes Kind von erfahrenen Eltern aussieht…“ Pilar unterbrach ihn und nahm sanft seine Hand. „Dimi…“ Doch er ließ sich nicht von seinem Gedanken abbringen. „Und was, wenn man keine Übung hat? Wenn es das erste Kind ist? Gestern waren wir zu zweit, aber wenn ich bei unserer eigenen Tochter arbeiten muss bist du-“ Noch immer sanft, aber bestimmt ergriff sie sein Kinn und drehte sein Gesicht zu sich, damit er sie ansah. „Dimi. Es wird alles gut werden. Allein dass du dir solche Sorgen machst, zeigt doch, was für ein guter Vater du wirst!“ Sie lächelte aufrichtig, was ihr Gatte nur erwidern konnte. Nach einem langen Kuss stimmte er ihr zu. „Du hast recht, wie so oft… Dass es kinderleicht werden wird, davon bin ich von vornherein nicht ausgegangen. Aber ich denke, dass genau darin eine gewisse Herausforderung liegt. Und das finde ich äußerst spannend.“ Pilar lachte. „Äußerst spannend? So kann man es auch ausdrücken.“, sagte sie und zog ihn an seiner Hand in Richtung des Schlafzimmers. „Und jetzt komm, ich zeige dir im Bett was anderes Spannendes…“