Did you hurt her?


Authors
Tanija
Published
1 year, 3 months ago
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"Johan."

"... Falco."

Falco ging langsam von hinten auf den am Tisch sitzenden Mann zu und überlegte sich genau, was er ab jetzt sagen würde. 

"Du weißt, warum ich hier bin, nehme ich an."

Die Aussage wurde mit einem kurzen Nicken beantwortet, dann griff der blonde Mann wieder nach dem Glas mit Whiskey, das vor ihm stand und schenkte sich selbst mit der beistehenden Flasche nach. Falco sprach betont leise und ruhig, als er fortfuhr. "Gut. Weißt du, ich habe wirklich angenommen, dass ein paar Tage Urlaub kein Problem wären. Wenn du schon nicht auf Singh hören würdest, dann sicherlich auf Henrik. Oder den Rest des Teams." Er bemerkte, dass das rechte Bein Johans angespannt in einem schnellen Rhythmus auf und ab wippte. Er war mittlerweile geduscht und verarztet worden. Der linke Arm, den er nicht zum Trinken benutzte, lag in einer Schlinge. Es kam keine Antwort und Falco sah weiterhin nur den leicht über den Tisch gebeugten Rücken des anderen Mannes, also fuhr er fort: "Aber dann ... Du weißt, was man von mir jetzt erwartet, korrekt?"

"Du wirfst mich raus." Die Antwort kam ohne Zögern, ohne Emotion, trocken. Aber an der Stimmlage Johans war definitiv etwas anders als sonst. Falco seufzte und nahm sich den zweiten Stuhl links neben dem Blonden. Er setzte sich rittlings auf diesen und lehnte sich über die Lehne, um sich ebenfalls eins der Gläser zu nehmen. Er entschied sich für den Gin, den er Whiskey deutlich vorzog, wenn er auch auf die Garnituren und Botanicals verzichten musste im Gemeinschaftsraum. Johan hatte sich weiterhin von ihm leicht angewandt und schien überwiegend in sein Glas zu schauen, während sein Bein weiter unruhig wippte und die Muskeln in seinem Nacken angespannt wirkten. Falco trank einen Schluck Gin, ließ ihn wirken, atmete ein, für den Nachgeschmack im Mund und sagte dann betont langsam: "Singh will das, ja. Als Hauptmann wäre das auch das Sinnvollste zu tun."

Er meinte, das Knirschen der dünnen Alltagshandschuhe Johans am Glas zu vernehmen, als dieser sich weiter verspannte. Falco hatte längst diese weitere Eigenart Johans akzeptiert. Er nahm an, dass es eine Art Aversion war, die ihn fast immer Handschuhe tragen ließ in den letzten zwei Jahren. Davor schien er keine Probleme gehabt zu haben. Er nahm sich vor, das ein anderes Mal anzusprechen. Falco nahm erneut einen Schluck des rauchigen Alkohols, dann, noch das Glas vor dem Gesicht, wie um direkt einen weiteren Zug zu machen, ließ er raus, was gesagt werden musste.

"Johan, ich habe deine besten und schlechtesten Momente erlebt in den letzten Jahren. Aber nie habe ich dich so erlebt wie heute. Nicht einmal ganz zu Anfang. Du hast einem Mann, der *verhört* werden sollte, das Gesicht zu Brei geschlagen. Du hast zwei neue Rekruten in Gefahr gebracht. Du hast meinen direkten Befehl ignoriert. Das wäre alles schon für sich schlimm genug, aber - du hast es bei einem Einsatz mit dem Alpha-Team zusammen gemacht. Vor Singh."

Falco nahm das Glas wieder runter und erschrak. Johan hatte sein Gesicht jetzt zu ihm gewandt und sah ... Nicht wie von Falco als Reaktion auf die Eröffnung erwartet aus. Er hatte verquollene Augen, gerötet, wie als hätte er Tränen zurückgehalten. Sein Gesicht zeigte jedoch eher eine Mischung aus Verwirrung und verhaltener Erleichterung, wenn Falco das richtig deutete. Aber Johan zu deuten war ähnlich schwer, wie ein Buch in kyrillischen Zeichen zu lesen. Dennoch; dass er den Mann je den Tränen nahe erleben würde - wegen einer Rüge? Ja, er hatte Mist gebaut, aber Falco war kein Freund davon, Mitglieder einer funktionierenden Einheit auszutauschen. Nicht, solange er noch Möglichkeiten zur Besserung sah. 

"*Deswegen* werft ihr mich raus?", fragte der andere zögerlich. Falco legte den Kopf etwas schräg und zog eine Augenbraue nach oben. Mit einem Blick auf die mittlerweile leere Whiskeyflasche vor Johan fragte er zurück: "Was, gibt es noch mehr Vorfälle, von denen ich wissen sollte? ... Dein wievieltes Glas ist das?"

Der andere zog die gesunde Schulter kurz hoch und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf das eigene Glas vor ihm. Falco versuchte es ein weiteres Mal: "Warum bist du in diesen letzten paar Tagen so unhaltsam geworden? Ist es wegen diesem Mädchen - wie war gleich der Name ... Loewen, korrekt?" Keine Antwort. Er nahm es als Bestätigung. "Hm, verliebt zu sein, gerade bei dem, was wir tun, kann sehr verwirrend sein. Es kann einen frustrieren, ängstigen, aggressiv machen. Und dazu kommt die körperliche Kraft."

Falco machte eine betonende Pause, nahm erneut einen Schluck, genoss das Gefühl, dass langsam von seinem Magen warm in den Rest des Körpers ausstrahlte, nahm die Sonnenbrille runter und fuhr dann fort.

"Hast du das Mädchen verletzt?"

Es dauerte einen Moment, dann lachte Johan kurz, hart und trocken auf. Er griff nach dem leeren Glas und hielt es schlaff gegen die Stirn. Falco nahm an, dass das kalte Glas an seiner Stirn gegen die Hitze des Alkohols half. Die Reaktion nahm er aber als ein deutliches "Ja" an. Der Junge musste sich furchtbar fühlen. Kein Wunder, dass er heute keinerlei Selbstbeherrschung vorzuweisen hatte. Falco entschied, dass er genug in der Wunde gebohrt hatte und räusperte sich kurz. Wenn der Junge darüber reden wollte, würde er es.

"Ich verstehe. Johan, du wirst nicht rausgeworfen. Nicht sofort. Ich habe Singh überzeugt, dich erstmal auf einen Erholungsurlaub in Italien zu schicken. Du erinnerst dich sicher an Alessandro Draghi? Er wird dich unter seine Fittiche nehmen. Ich erwarte von dir dein bestes Verhalten da unten."

"... Wann?"

"In vier Tagen, mit Beginn der neuen Woche."

Der Hauptmann stand auf und stellte das Glas ab. Dann wandte er sich zum Gehen. Kurz bevor er die Tür erreichte, hörte er das unangenehme Geräusch eines zerschellenden Glases auf dem Tisch und er seufzte matt. Wenn Johan nicht so verdammt explosiv wäre, wäre er einem jüngeren Falco auf die eine oder andere Weise gar nicht so unähnlich.