Ein Glassplitter in den Weiten des Ozeans


Authors
Shahar
Published
1 year, 7 months ago
Stats
463

Theme Lighter Light Dark Darker Reset
Text Serif Sans Serif Reset
Text Size Reset
Author's Notes

”In the subtle space, there's an endless ocean
But the devils sing and it's deafening.”

(c) Dying Is Absolutely Safe by Architects

„Du möchtest dich nicht an einem Namen festhalten so wie ich es bis zum heutigen Tag für nicht vorstellbar gehalten hatte, mehr als nur eine Nummer zu sein. (...) Es ist leichter, ein Teil von Grau zu werden als hervorzustechen; ein Ich zu besitzen. Mehr zu sein als ein einfacher Zufall, der in der Laufbahn des Universums entstanden ist. Ja, in den Augen der Sterne sind wir doch alle unbedeutend. Selbst 001 und sein Geleit. Doch was kümmert es mich, was die Sterne von mir denken?“

“Deine Worte berühren mich, Re. Sie lassen mich von Veränderungen träumen“, die Alma klang wehmütig, während ihre Augen im Schein des falschen Lichtes glänzten. Sie wünschte sich, ihren Schicksalsfaden neu in den Teppich der Zeit weben zu können. Oder das lange, lange, lange Stück Garn einfach zu zerreißen.

In Almas Seelenspiegeln glühte tiefe Trauer auf, als sie schwer schluckte und zu einer Erwiderung ansetzte. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis die Worte quälend langsam ihren Mund verließen. “Namen, Nummern … “, begann sie, bevor sie kurz ins Stocken kam, “Ich bin weniger als all das.“ Sie richtete ihren Blick hinab zu den versammelten Katzen, um ihrer Gesprächspartnerin nicht in die Augen blicken zu müssen.

“Ich bin ein einzelner Glassplitter im weiten Ozean. Eine verlorene Feder im tosenden Sturm. Eine wandernde Seele in der absoluten Dunkelheit.“ Alma schloss die Augen, nahm bewusst die Helligkeit hinter ihren Lidern wahr.
“Für mich gibt es kein Licht am Ende des Tunnels. Nur Finsternis. Ich habe schon längst verlernt, etwas Anderes zu sehen. Wenn man gefangen in ewiger Nacht lebt, vergisst man irgendwann, wie die Sonne aussieht. Vergisst ihr Licht und ihre Wärme“, sie wandte sich wieder Re zu. Almas Miene erzählte von eben jener Schwärze, die ihr ganzes Dasein erfüllte. “001 kann mir nichts nehmen, das ich schon lange verloren habe“, Alma blinzelte, “Meine Identität, mein Ich ist zu sprunghaft, um es einzufangen. Um es bei einem Namen zu nennen.“ Und es hatte begonnen, sich in den Strömen der Zeit zu verflüchtigen. Jede Erinnerung, die verblasste, nahm ein Stück ihrer Persönlichkeit mit sich fort. Und Alma war sich sicher, dass es unmöglich war, eine zerborstene Seele zu heilen. Sie würde die Scherben ihres Selbst niemals wiederfinden.
Und doch könnte sie es versuchen. Könnte sich an der Hoffnung festbeißen und stolz in die Zukunft schreiten.

“Wenn ich neben dir sitze, so fühle ich mich nicht einsam. Dort ist jemand, ein Geist, der den Platz neben mir einnimmt.“

“Re“, Almas Stimme brach, “Ich bin nicht stark genug, um jemand zu sein.“
Die Seelenwanderin war schon längst keine Kriegerin mehr.