Ein Licht auslöschen


Authors
Shahar
Published
1 year, 3 months ago
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Alma spielte mit ihren Lichtern wie ein Junges mit einem Wollknäul.

Sie war keine Kriegerin, keine Rebellin, keine Königin, sondern ein unreifes Kätzchen, das nie erwachsen geworden war. Das nie erwachsen werden würde.

Mit ihren kleinen Pfoten schlug sie nach den hellen Sonnen, die um ihren Körper tanzten wie vom Himmel gefallene Sterne. Die meisten Hiebe gingen ins Leere, weckten Frustration und spornten die Geflügelte gleichzeitig an, weiterzumachen. Solange, bis sie selbst siegreich hervorging und alle Lichter der Welt zu nichts als Schatten in einer endlosen Nacht geworden waren.

Als ihr Schlag schließlich eine der Lichtquellen traf, erlosch sie, nur um einen Wimpernschlag später an einer neuen Position wieder aufzutauchen.

Ein unendliches Spiel für eine unendliche Wanderin.

Alma kicherte vergnügt, über ihren kurzweiligen Triumph, der nichts und alles zugleich bedeutete.

Ihre Schwingen waren weit ausgebreitet und ließen den dunklen, ausgezehrten Körper noch größer wirken als sonst. Alma bewegte die Flügel vor und zurück, versuchte sie vergeblich als Hilfsmittel auf der Jagd nach den Lichtern einzusetzen. Aber trotz ihrer Zeit im Körper der verstorbenen schwarzen Kätzin, waren ihr die Schwingen des Rabens noch immer nicht vertraut. Ein Teil ihrer Hülle und doch so unglaublich fremd. Und dieses Gefühl spiegelte sich auch in ihren mal ruckartigen, mal langsamen Bewegungen wider.

Selbst als Alma sich auf den Rücken rollte und mit ihren Pfoten ungelenk durch die Luft patschte, kümmerte sie  sich nicht um die Blicke, die man ihr zuwarf. Verwirrt. Verächtlich. Mitleidig.

Ihre Welt wer erfüllt von gleißenden Lichtern, wirklichen und erdachten. Ihr Blickfeld flimmerte bereits, weil sie unaufhörlich ins grelle Weiß der Sonnen starrte. Wenn sie lange genug hineinblickte, würde das Leuchten in ihr Inneres sickern? Würde die Wärme wieder ihr dunkles Herz erfüllen?

Alma hatte längst aufgegeben, Realität von Traum zu trennen. Sie hinterfragte nicht einmal, woher die kleinen Lichtfunken stammten, die spielerisch um sie herumtanzten.

Die Seelenwanderin hatte sich völlig im Augenblick verloren.

Unzählige Seelen schlugen wie Herzen im Einklang, aber Alma nahm sie nicht als beruhigend wahr. Sie fühlte sich nicht verbunden, sondern losgelöst von der Welt.

Das pulsierende Pochen des Lebens war ein bedrohliches Trommeln in ihren Ohren. Wie tausend Augen, die lauernd auf ihren Rücken gerichtet waren. Tausend Katzen und tausend Bedrohungen.

Alma hielt inne, erstarrte zu einer unbeweglichen Silhouette, als eine Seele es wagte, näherzutreten.

Angst, Wut, Angst, Wut.

Wut.

Mit gesträubtem Fell und gefletschten Zähne starrte sie in bekannte Seelenspiegel. Und doch lag kein Wiedererkennen in Almas Blick.

Freund, Feind, Freund, Feind.

Freund, Feind?

Die alte Kätzin konnte sich nicht entscheiden.

Ein Schauder kroch langsam über Almas Rücken.

All ihre Glieder waren angespannt, ihr Körper war bereit anzugreifen, zu verletzen, zu töten.

Die Seelenwanderin wollte ein Licht auslöschen.