Vertrauen


Authors
Shahar
Published
1 year, 3 months ago
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“Die Unterwelt hat mir das Licht geschenkt. Das Licht der Sonne, des Mondes, der Sterne. Das Licht am Ende des Tunnels“, die Geflügelte sprach das Offensichtliche aus, “Und eine Verbindung. Eine Verbindung zum Leben, zur Welt.“ Das Wissen, das Alma nicht losgelöst von der Welt existierte, sondern ein Teil von ihr war.

Ob sie wohl deiner Verbindung zur Finsternis ähnelt, Re?

“Aber du hast mir das wichtigste Geschenk gemacht“, Dankbarkeit füllte Almas Dasein aus, als sie wieder in die Augen der Prophetin schaute, “Meine Identität. Noch bin ich nicht bereit, sie anzunehmen, aber wenn ich eines Tages als Königin von Licht und Dunkelheit auf die Welt schaue, werde ich mich wieder Alma nennen.“

Eine Frage brannte Alma noch auf den Lippen. Eine einzelne, alles entscheidende Frage.

“Das ferne Reich der Finsternis hat sich mir gezeigt und mich mit deiner Gegenwart gesegnet", Alma hielt inne, um in die Seelenspiegel der anderen Kätzin zu blicken. In die Augen der Unterwelt. "Aber ich verstehe nicht, Re. Ich verstehe nicht, welche Aufgabe sie mir während meiner ewigen Wanderung zuspricht, welche Rolle ich spielen soll, bis ich bereit bin, meinen Thron zu besteigen."

Gib mir einen Sinn, Re.

„Damals, habe ich ebenfalls nicht verstanden.“

Alma erwiderte Re’s Lächeln.
Zu wissen, dass sie nicht die einzige Seele war, zu der die Botschaft der Hölle langsam durchsickern musste, machte sie seltsam froh. Alma hatte nicht einfach nur versagt, sie hatte den vorherbestimmten Pfad beschritten. Obwohl er uneben und voller Steine war. Voller Hindernisse, die ihr Vorankommen bremsten. Aber all das Leid hatte Alma gestählt. Hatte ihr neue Kraft und Stärke eingeflößt, welche sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hatte vorstellen können.
Die Unterwelt hatte das gewusst, wie sie noch so viel mehr wusste.

Almas milchige Seelenspiegel richteten sich auf Re’s drittes Auge. Das Fenster zur Welt in den Tiefen.

Die Seelenwanderin hatte das Gefühl, sie würde Re schon seit Monden kennen und doch waren sie sich erst vor wenigen Herzschlägen begegnet. Ob es wirklich der Wahrheit entsprach?

Vielleicht hat die Hölle unsere Schicksale schon vor Langem verwoben.
Vielleicht schlagen unsere Herzen im Gleichklang.
Vielleicht waren wir schon Schwestern, bevor wir einander zum ersten Mal in die Augen blickten, Re.


„Habe Vertrauen.“

“Es ist schwer, zu vertrauen.“ Nach so langer Zeit wieder zu vertrauen.

“Selbst auf die Hölle.“ Almas Blick richtete sich in weite Ferne.

Viele Monde hatte sie in ständiger Paranoia verbracht. In Hysterie und Furcht, dass man ihr einmal mehr ein Messer in den Rücken rammen würde. Es hatte sie verzehrt und verschlungen, hineingeworfen in die Dunkelheit. Almas Kopf begann zu schmerzen, als würde man unzählige Nadeln hineinbohren. Doch sie verwehrte der Pein den Weg in ihr Herz. Noch hielt sie stand.

“Aber ich vertraue dir, Re.“ Und die Liebe, die Alma nie gefühlt hatte, sprach aus ihren Worten.