»I smell snow«


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1 year, 12 days ago
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Federpfote konnte es kaum mehr erwarten. Von einer Pfote auf die andere wippend stand die silberne Tigerkätzin vor dem Schülerbau, ihr Schwanz aufgeregt gen Himmel gerichtet, ihre Augen rund vor Aufregung. Sie war nun seit zwei Monden die Schülerin von Echohauch. Der Krieger war zwar gewöhnungsbedürftig gewesen und ihre Charakterzüge passten nicht immer zusammen, dennoch war die Schülerin ihm seit ihrer gemeinsamen Zeit immer wohler gestimmt. Doch heute würde Echohauch nicht mit beim Training sein. Die Blattfrische hatte eingesetzt und obwohl es noch keinen "Schnee" (was auch immer das sein sollte) gegeben hatte, hatten die kalten Winde einigen WolkenClan Katzen mächtig aufgeschlagen. So war nicht nur Echohauch krank geworden, sondern auch Goldmeer, Wüstenrose und einige munkelten, dass auch Ahornsterns Nase trocken geworden war. Federpfote glaubte allerdings nicht, dass Ahornstern krank werden würde. Ahornstern war die stärkste Katze, die sie je gesehen hatte, und noch dazu war sie wie eine Mutter für die junge Schülerin. Zumindest erinnerte sich die Kätzin kaum an Regen, ihre echte Mutter, doch Ahornstern erinnerte sie immer zumindest an ihr Aussehen und daran, dass sie nicht mehr leben würden, wenn Regen sie nicht zum WolkenClan gebracht hatte. Ihre eigene Erinnerung war nur der Schmerz darüber, dass Regen eines Tages aus der Kinderstube gegangen und nie wieder zurückgekehrt war. 

»Da ist aber jemand aufgeregt«, ertönte im Schülerbau die Stimme von Blattpfote. Federpfote schnaubte, während sie den Kater bedachte, der einen Hang zum Chaos hatte. Lange würde sie sich den Bau nicht mehr mit dieser Fellkugel teilen müssen. »Ich gehe ja auch auf meine erste Grenzpatrouille und dann auch noch ohne Echohauch!« Ahornstern hatte sich dazu entschieden, Federpfotes Training während Echohauchs Abwesenheit fortzuführen und darauf konnte die junge Schülerin nicht stolzer sein. Dass sie zusätzlich auf ihre erste Grenzpatrouille ging, war noch viel besonderer! Doch Blattpfote zuckte lediglich mit den Schultern und warf einen Blick zur aufgehenden Sonne. Einige dunkle Wolken waren in der Ferne zu sehen. »So besonders ist das gar nicht. Sobald du ein paar Mal an der Grenze zum Streunerwald entlanggegangen bist, willst du nie wieder auf Grenzpatrouille.« »Warum denn das?«, fragte Federpfote und konnte sich einen pampigen Unterton nicht verkneifen. Dort waren sie als Junge gefunden worden, deshalb war der Ort etwas besonderes. »Weil sie sehr lang ist, Federpfote«, brummte Blattpfote ungeduldig. Obwohl er sonst so viel Chaos verbreitete, klang er heute uncharakteristisch faul. »Du klingst wie Blassjäger«, bemerkte die Schülerin spitz und bereute die Aussage über ihren Fast-Bruder sofort wieder. »Kaum zu glauben, dass dieser Faulpelz Ahornsterns Liebling ist«, zischte der ältere Schüler und warf spöttische Blicke Richtung Kriegerbau. »Und noch dazu ein Krieger.« »Wage es nicht, so über meinen Bruder zu sprechen!« »Du hast doch angefangen!« »Aber er ist mein Bruder, wir scherzen nun einmal manchmal darüber!« »Das klang nicht wie ein Scherz, du Mäusehirn!« »NENN MICH NICHT MÄUSEHIRN.« 

Wenig später kabbelten sich Federpfote und Blattpfote auf dem Lagerplatz des WolkenClans. Wenn einige Katzen durch ihren Streit durchgeschlafen hatten, waren sie nun aufgrund des Chaos erwacht. Einige Krieger liefen aus dem Bau und zerrten die fauchenden Schüler auseinander, bevor sie sich ernsthaft verletzen konnten. Sofort erfüllte Scham die Tigerkätzin, die mit runden Augen erkannte, was ihr blühen würde. Sie wollte doch so gerne auf die Grenzpatrouille, warum hatte sie angefangen, sich mit Blattpfote zu streiten! Der Kater war es doch kein Bisschen wert gewesen! »Was ist hier los?«, ertönte eine ungewöhnlich matte Stimme hinter Kohlenbrand, der Federpfote davon abhielt, zurück zu Blattpfote zu laufen. Eine unnötige Arbeit, wie die silbergraue Kätzin dachte. Schließlich hatte sie schon längst eingesehen, dass der Streit nicht hätte passieren dürfen. Der Krieger gab sie frei und auch Himbeerglut, der Blattpfote gehalten hatte, ließ von dem Schüler ab. Ahornstern stand vor ihnen, ihre Augen ungewohnt trübe, eine fremde Erschöpfung zeichnete sich auf ihrem Körper ab. »Federpfote und Blattpfote haben sich gestritten und sind dann aufeinander losgegangen.« Stille legte sich über die Beteiligten, nachdem Kohlenbrand Ahornstern über die Situation aufgeklärt hatte. Die Anführerin antwortete nicht sofort, doch Federpfotes Herz sank zu Boden, als sie die Enttäuschung darin deutlich wahrnahm. Von ihrer anstehenden Patrouille hatte sich die Kätzin verabschiedet. 

»Federpfote, Blattpfote, ich erwarte von euch, dass ihr künftig solche Streitereien ohne einen Kampf klärt. Ihr seid Clangefährten und könnt euch nicht in eine solche Gefahr bringen, insbesondere nicht in der Blattleere!« Schärfe lag in dem Ton der roten Kätzin, die danach schwer seufzte. »Blattpfote, du kümmerst dich heute darum, dass alle Kranken im Heilerbau, sowie unsere Heilerkatzen, Beute erhalten. Für jeden von ihnen erwarte ich, dass du etwas frisches auftreibst.« Dann richtete sich ihr Blick auf Federpfotes Gesicht und die Schülerin hatte das Gefühl, im Boden einzugehen. »Federpfote, du gehst heute nicht auf die Patrouille. Stattdessen wirst du dich darum kümmern, dass die Nester in der Kinderstube und im Ältestenbau gewechselt werden.« Niedergeschlagen nickte Federpfote und wandte sich ab. Es war das, was Ahornstern tun musste, das wusste sie, dennoch schmerzte es. »Federpfote!« Eine Stimme drang leise an die Ohren der silbergrauen Tigerkatze, die in ihrem Nest lag und aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Sie hatte bei all den Bewohnern der Kinderstube und des Ältestenbaus lange gebraucht, bis sie alle Nester gewechselt hatte. Besonders in der Kinderstube hatte sie zu kämpfen gehabt, da die ältesten Jungen, die Junge von Kleeblatt und Nebelherz, immer auf die Moosfetzen gesprungen waren, damit Federpfote mit ihnen spielte. Somit hatte sie deutlich länger für die neuen Nester gebraucht und war am Abend müde in ihr Nest gesackt. 

Blinzelnd öffnete sie die Augen. Das Licht war gräulich und sie vermutete, dass es gerade kurz vor Sonnenaufgang war. Wer weckte sie denn um diese Zeit? Echohauch war noch immer im Heilerbau... Gähnend streckte sie ihre Beine von sich. Da sie auf dem Rücken lag, stieß sie entsprechend mit ihren Pfoten zur Baudecke und spürte erstaunlicherweise einen weichen Gegenstand. Ein unterdrücktes Jammern ertönte über Federpfote, die blinzelnd die Augen vollständig öffnete und Ahornstern dabei beobachtete, wie diese sich immer wieder schüttelte und über die Lefzen leckte. Hatte sie der Anführerin gerade ins Gesicht geschlagen? »Beim SternenClan, Federpfote, wer streckt sich denn so«, miaute Ahornstern, ihre Stimme noch veränderter. Sie musste sich den Husten eingeschnappt haben. Besorgt setzte sich Federpfote auf und drückte ihren Kopf tröstend gegen die Brust der roten Kätzin, die ihr liebevoll die Ohren putzte. »Ist ja nichts passiert«, murmelte Ahornstern, doch Federpfote wollte ihr nicht so recht glauben. Die Kätzin bewegte ihren Kiefer dafür zu seltsam, als müsste sie erst einmal herausfinden, wie sie die Zähne normalerweise aufeinanderschlug. Wenig später standen die beiden im dämmrigen Licht auf dem Lagerplatz. Das Himmel war von mehr dunklen Wolken bedeckt und Ahornstern schien aufgeregt bei diesem Anblick. »Gehen wir heute trainieren?«, fragte Federpfote, nachdem sie ihre Müdigkeit abgeschüttelt hatte. Erwartungsvoll blickte sie zu der Kätzin auf, die sanft zu ihr hinabblickte. »Etwas ganz ähnliches.« »Ist es wichtig?« »Auf eine ganz besondere Weise, könnte man das behaupten.« Federpfote war keineswegs schlauer durch diese Unterhaltung. Somit folgte sie Ahornstern ahnungslos aus dem Lager und suchte immer wieder nach den richtigen Worten, während sie über die Grasebene schritten. Der Wind peitschte kalt an ihrem Körper entlang, doch der Gedanke, dass Ahornstern ihr etwas zeigen wollte, war viel aufregender. Schließlich hörte Federpfote das Plätschern des Breiten Stroms. Sie näherten sich der FlussClan Grenze, doch Ahornstern lief parallel dazu flussabwärts, bis sie an der Außengrenze standen. Der Ort kam Federpfote seltsam vertraut vor... »Hier habe ich deine Mutter, deine Geschwister und dich kennengelernt«, hob Ahornstern erschöpft an. Der Spaziergang schien ihr nicht leicht gefallen zu sein, dennoch war die Anführerin offenbar nicht fertig. Aufregung pulsierte durch Federpfote, während sie den Ort inspizierte und sich daran erinnerte, wie die rote Kätzin im Regen aufgetaucht war. Schweigend erklomm Ahornstern den nächstbesten Baum und setzte sich auf den untersten Zweig. Federpfote, die stolz von sich behauptete, dass sie es tatsächlich auch auf Bäume schaffte, folgte ihr langsamer und ließ sich auf der Astgabel nieder. »Ich habe gehört, dass du dich mit Blattpfote über Blassjäger gestritten hast«, fuhr Ahornstern fort und Federpfote schnurrte leise, als die Anführerin ihren Schwanz um sie legte. Leicht lehnte sich die silbergraue Kätzin an die rote an. »Ich wollte Blassjäger nicht beleidigen«, miaute sie leise und entschuldigend. »Es ist mir herausgerutscht und Blattpfote hat dann einfach weitergemacht.« Ahornstern nickte leicht und leckte ihr über die Ohren. »Ich weiß, kleine Federpfote«, miaute sie sanft. »Blattpfote hat sich einen schlechten Spaß erlaubt. Er weiß ganz genau, dass auch Blassjäger seine Aufgaben fleißig erledigt und er wollte dich nur provozieren. Vielleicht mag er dich ja-« Federpfote schnaubte empört. Was für ein dummer Rat war denn das! Blattpfote sollte sich lieber von ihr fernhalten. Das belustige Schnurren von Ahornstern half ihr nicht. Die beiden verfielen in ein langes Schweigen und blickten einfach nur auf den Ort hinab, der vor so vielen Monden dazu geführt hatte, dass Federpfote nun einen Clannamen trug. 

Beide spitzten allerdings die Ohren, als sie eine Bewegung in der Ferne wahrnahmen. Sie sagten nichts, während sie einer grauen Katze dabei zusahen, wie sie durch das hohe Gras näher an die Grenze kam. Ahornstern war etwas angespannt und Federpfote hatte das Gefühl, dass sie die Katze erkannte. Doch bevor sie deutlich erkennbar war, schien sie bemerkt zu haben, dass Ahornstern und Federpfote dort saßen und sie beobachteten, denn sie hielt inne und schien genau darüber nachzudenken, was sie tun sollte. Schließlich wandte sich die Katze ab und rannte davon. »Eines Tages wird sie sich allem stellen«, miaute Ahornstern leise und schien sich zu entspannen. Irritiert blickte Federpfote zu ihr hoch, doch die Rote schüttelte nur den Kopf, drückte Federpfote fester an sich und putzte ihr wieder die Ohren. Federpfote dachte noch eine ganze Weile über die graue Katze nach. Ahornstern schien sie gekannt zu haben und zu erwarten, dass sie sich eines Tages direkt an die Grenze stellen würde. Hatte die Katze vor etwas Angst? Kopfschüttelnd drehte sich Federpfote zu Ahornstern, als diese plötzlich den Kopf gen Himmel wandte. »Alles in Ordnung?«, fragte Federpfote verwirrt, blickte zum Himmel, als würde sie dort eine Gefahr erkennen können. Doch die Anführerin schnurrte nur. »Ich rieche Schnee.« Irritiert zuckte Federpfotes Nase bis plötzlich etwas nasskaltes auf dieser landete. Mit kugelrunden Augen folgte sie dem Blick der roten Kätzin, die dabei zusah, wie weiße Flocken wie Federn vom Himmel fielen. Das war also Schnee. Ohne ein Wort zu sagen verbrachte Federpfote den Vormittag an Ahornstern gekuschelt und beobachtete den Schneefall. Ihren ersten Schnee würde sie wohl kaum vergessen können.