Schlafendes Herz


Authors
Shahar
Published
11 months, 29 days ago
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Als Dorian ihm das Lichtschwert reichte, nahm Rowan es ohne weiter darüber nachzudenken entgegen. Es war leichter als sein eigenes und fühlte sich anders an. Anders.
Rowan erinnerte sich an den Moment, in dem er es zum ersten Mal gesehen hatte. Es machte beinahe den Anschein, als wären Jahre zwischen damals und heute vergangen, obwohl es eigentlich nur wenige Monate waren. Dorian war gemeinsam mit einer Gruppe Zivilisten als Gefangener auf sein Schiff gebracht worden. Nachdem man das Lichtschwert sichergestellt und ihm überbracht hatte, war Rowan davon ausgegangen, einen Jedi vor sich zu haben. Einen Spion der Republik, der sich im Territorium des Imperiums herumtrieb. Wie falsch er doch gelegen hatte, wie falsch.
"Es soll dir gehören", Dorian lächelte ihn an, "Ich möchte, dass du es führst."
Innerhalb eines Wimpernschlags schien sich das Gewicht der Klinge in Rowans Hand um ein Vielfaches vergrößert zu haben. Der Federanhänger schwankte leicht hin und her. Eine weiße und eine schwarze Feder. (Wie Licht und Dunkelheit.)
Rowans Augen waren auf das Schwert gerichtet, Unverständnis blitzte in den blauen Tiefen auf. Als würde er die Worte seines Gegenübers nicht begreifen. Erst nach einer ganzen Weile blickte er auf und schaffte es, in Dorians grüne Seelenspiegel zu schauen. Seelenspiegel, die nur das Gute in Rowans Herzen zu sehen schienen. Nur das Gute.
Der Sith schloss seine Finger fest um den Griff und zögerte kurz, bevor er das Schwert aktivierte. Die Klinge leuchtete hell auf und tauchte den Raum in einen sanften gelben Schein. Rowan starrte einfach nur ins Licht, bis seine Augen zu schmerzen begannen. Bis weiße Flecken durch sein Blickfeld wanderten und ihm leicht schwindelig wurde. Doch das Surren der Klinge wirkte seltsam beruhigend, seltsam vertraut. Er atmete tief durch.
Unweigerlich musste er an sein eigenes Lichtschwert denken. An den Kristall, der im Inneren der Waffe schlummerte wie ein Herz. An einen Kristall, der einmal so blau gewesen war wie der endlose Himmel.
Rowans Gesichtszüge verhärteten sich.
So blau wie der Himmel, bis Rowan den Kyberkristall zum Bluten gebracht hatte. Bis er ihn seinem Willen unterworfen hatte. Aber nicht nur der Kristall war an jenem Tag gebrochen. Nicht nur der Kristall, sondern auch ein Teil von Rowans Seele. Die Erinnerung bohrte sich in seine Brust wie ein Dolch.
Rowans Hand begann unkontrolliert zu zittern, er ließ das Lichtschwert fallen, als hätte er sich daran verbrannt. Als würde es ihm physische Schmerzen bereiten, es auch nur einen Augenblick länger festzuhalten.
"Das kann ich nicht", Rowan schüttelte seinen Kopf, seine Augen waren kalt und abweisend. (Verletzt.)
Dorian hob das Schwert auf und strich sacht über den Federanhänger. Sein Blick war voller Verständnis; als hätte er bereits mit dieser Reaktion gerechnet.
"Du kannst", die Worte waren weich und es lagen keine Zweifel darin, keine Zweifel, "Ich bin sicher."
Es fiel Rowan schwer zu atmen; als würde eine unsichtbare Kraft ihn niederdrücken. Er ertrug es nicht, Dorian zuzuhören. Er ertrug es nicht, in leuchtende Augen zu blicken und zu hoffen. Hoffnung würde sein Herz vergiften und es letztendlich zerschmettert zurücklassen.
Und so wandte er sich ab und blickte nach draußen, in die schwarze Endlosigkeit. Sterne leuchteten ihm kühl entgegen. Nur den Sternen zeigte Rowan die Schmerzen, die über sein Gesicht huschten wie Schatten.
"Es gehört dir", die Stimme des Sith war tonlos, “Es ist dir wichtig …“ Rowan wusste nicht einmal mehr, was er sagen sollte. Was er sagen konnte.
Dorian hatte ihm erzählt, dass er das Lichtschwert von seinen Eltern bekommen hatte. Seinen Eltern, die einst Mitglieder des Jedi-Ordens gewesen waren, bis sie sich auf einen unscheinbaren Planeten im Outer Rim zurückgezogen hatten. Aber der Krieg hatte sie eingeholt, als sie es am wenigsten erwartet hatten. Und sie waren gefallen durch die Hände eines Sith.
Rowan senkte seine Lider und versuchte, an etwas Anderes zu denken. Versuchte, sich nicht schuldig zu fühlen.
Er hörte, wie Dorian sich langsam näherte. So langsam, dass Rowan die Zeit hätte, weiter zurückzuweichen. Sich weiter zurückzuziehen. Stattdessen verharrte er an Ort und Stelle und drehte seinen Kopf leicht in Dorians Richtung.
Unveränderte Entschlossenheit lag in Dorians Blick, als dieser Rowan das Lichtschwert erneut entgegenstreckte.
"Dorian ...", die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen, seine Stimme zitterte unmerklich, "Wenn ich es benutze, wird der Kristall brechen." Rowan war sich sicher, dass Dorian seine Schmerzen spürte. Schmerzen, die er nicht in Worte fassen konnte. "Er wird bluten." 
Und das könnte Rowan sich niemals verzeihen. Niemals.
Vor seinem inneren Auge sah er bereits, wie sich das gelbe Leuchten der Klinge in seinen Händen zu einem tiefen Rot wandelte. Es fühlte sich gänzlich falsch an, auch nur daran zu denken.
Aber Dorian nahm nur seine Hand und legte das Lichtschwert vorsichtig hinein.
"Dann führ es eines Tages, wenn du bereit dazu bist", Dorian schenkte ihm einen langen Blick aus sanften grünen Augen.
Rowan nickte wortlos, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass dieser Tag jemals kommen würde. Dass er jemals bereit sein würde.
Abermals schloss er seine Augen, spürte das kühle Material des Lichtschwertes in seiner Hand. Spürte das stetige Pulsieren des Kristalls im Inneren der Waffe. Zerbrechlich und stark zugleich.
Wie das gedämpfte Pochen eines schlafenden Herzens.
(Ob es je erwachen würde?)