[GER] Was sich wieder findet...

Ein leichter Seufzer entfloh ihm, als er sich an die Reling lehnte und auf das Meer blickte, welches ebenso dunkel war wie der Nachthimmel. Der Mond war von Wolken bedeckt, doch so schnell wie diese dort oben vorbei zogen, würde sich das wohl bald ändern.

Es war jedoch keine ruhige Nacht, nein. Von unter den Decks konnte man bis oben hindurch Gelächter hören… Kein Wunder, bei den Mengen an Alkohol die dort unten schon vertilgt worden waren. Er schmunzelte ein wenig. Aber trotz dessen… er war nicht wirklich ein Freund von solchen Veranstaltungen, nein. Der Alkohol lockte ihn genauso wenig. Einfach… etwas Ruhe haben. Ja, das tat ihm gut. Und einer mehr oder weniger dort unten machte nun auch keinen Unterschied… Wahrscheinlich ist es nicht einmal jemandem aufgefallen. Gut so, dachte er sich im Stillen, während er versuchte sich nur auf das Meeresrauschen zu konzentrieren…

…

Jedenfalls, bis er Schritte hinter sich vernahm. Für einen Moment überlegte, ob er die Person hinter sich einfach ignorieren sollte… Doch als er diejenige im Augenwinkel erkannte, schloss er dies vollkommen aus und wandte sich ihr zu.

“Guten Abend, Sophie”, begrüßte er die Brünette, die ihm nun gegenüber stand. “Na, brauchst du eine kurze Pause von dem ganzen Trubel da unten?”

Bei der Frage lachte sie und ging langsam zu ihm herüber.

“Ja, ein wenig frische Luft tut auch ganz gut”, antwortete sie ihm und lehnte sich ebenfalls an die Reling.

…

Stille.

…

Eigentlich… konnte er es immer noch nicht fassen. Ausgerechnet hier, bei dem aufeinandertreffen dieser zwei Crews, traf er sie, die er geglaubt hatte nie mehr wiedersehen zu können, wieder. Zunächst hatte er geglaubt es wäre Einbildung, doch… das war es nicht. Und so… kam einiges wieder hoch… Einiges, was er schon wieder ganz verdrängt hatte… doch nur, um es sich selbst einfacher zu machen. Doch nun? Nun stand sie neben ihm. Und etwas hatte sich nicht geändert… ganz im Gegenteil…

…

Doch noch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Sophie das Wort.

“Eigentlich…”, fing sie an. “Ist das nicht der wahre Grund warum ich hoch gekommen bin.”

Der Dunkelhaarige blickte zu ihr.

“Eigentlich warst… du der Grund, Drake. Ich wollte mit dir reden… und konnte mir schon denken, dass du hier oben wärst.”

Er blieb still. Wieder einmal war es sie, die die Initiative ergriffen hatte. Nichts anderes war zu erwarten von ihrer starken Persönlichkeit.

“Weißt du… damals, als ich wieder nach oben ging…  Eigentlich… hatte ich gehofft,--”

“Dass ich dich aufhalte…?”

Sophie schien überrascht dass der andere sie unterbrach, doch blickte er nur wieder zum Meer hinaus.

“Um ehrlich zu sein… ich wollte es tun. Ja, wäre es nach mir gegangen, hätte ich dich wahrscheinlich nicht gehen lassen. Aber…”

Ein erneuter Seufzer entfloh Drake.

“Ich wollte mich nicht zu sehr in dein Leben einmischen.”

“..Einmischen?”

… Sie wollte wohl wirklich, dass er alles aussprach, huh?

“Ja, einmischen. Einmischen in dein altes Leben. Schließlich warst du verheiratet, hattest ein Kind bekommen… und irgendwo wartete sicher noch dein Mann und deine Tochter auf dich. Warum sollte ich, jemand, der ohne irgendeinen Ansporn nur dort unten quasi vor sich hin vegetierte, dich so zurück halten? Du hattest schon vorher ein erfülltes Leben und warst frei… Ich hätte dich niemals so sehr einschränken können, nein. Dafür… warst du mir zu wichtig geworden, als dass ich meinen Egoismus deiner Chance auf die Rückkehr in dein vorheriges Leben vorgezogen hätte.”

Ja… er hätte sich nur schuldig gefühlt.

“Ich wollte einfach nur, dass du und Noah glücklich werden würdet… und da nach oben wolltest, wollte ich dich nicht aufhalten. Schließlich müsstest du ja am ehesten wissen, was das Beste für dich, oder eher euch, wäre.”

Diesmal war es die Braunhaarige, die für eine ganze Weile einfach nur still blieb. Bis sie schließlich ihre Fäuste ballte.

“Du bist wirklich…! Und ich dachte die ganze Zeit, ich hätte es mir nur eingebildet, dass wir gegenseitig…!”

“...Es tut mir Leid…”

Ein weiterer Seufzer - doch diesmal von ihr.

“Das braucht es nicht, Drake… Vielleicht… Vielleicht sollte es so sein, dass wir uns erneut wieder treffen um all dies aufzuklären…”

“...Vielleicht…”

Ohne es bewusst zu merken waren sie sich gegenseitig näher gekommen - als sie es bemerkten, seufzten sie beide erneut leicht. Er wäre unmöglich irgendetwas zu verneinen… 

Falls sie das wollten… 

Worte würde niemanden von ihnen weiter bringen, das war beiden bewusst. Und so war es schließlich Sophie welche die Initiative ergriff; Sie zog ihn an seiner Krawatte näher und küsste ihn. Obwohl Drake zunächst sehr überrascht über die plötzliche Aktion zu sein schien, erwiderte er diese doch recht schnell. 

Erst, als Schritte näher kamen, trennten sie sich hastig und sahen aufs Meer hinaus, um nicht zu auffällig zu wirken. Es wäre um einiges besser wenn es zuerst ein Gespräch gäbe, statt von Felix, oder besser gesagt ‘Noah’, so erwischt zu werden… Oder wenn er es durch einen Dritten erfahren würde… 

Doch… war es niemand, der ein Drama veranstalten würde. Ganz im Gegenteil… 

“...Mama…?”

Es war Sophies zweijähriger Sohn, der langsam angetappst kam. Schnell lief sie ihm entgegen und hob ihn auf, ehe sie zu dem Dunkelhaarigen zurückkehrte.

“Noah, warum bist du denn noch wach, hmn?”

“Mama nicht da… ”

Sie strich ihm liebevoll durch sein Haar.

“Keine Sorge, ich bleibe gleich wieder ganz bei dir…”

Er kuschelte sich noch etwas mehr an seine Mutter, bemerkte dann aber den Mann neben ihnen und-

“...Papa?!”

Sofort streckte der Kleine seine Arme aus und wollte auf die Arme des anderen, der zunächst etwas verwirrt schien, dann aber doch lachen musste und ihn übernahm.

“Du konntest es ihm wohl nicht abgewöhnen, hm?”

“Nicht wirklich, nein~”, antwortete sie und musste ebenfalls lachen, während sie sich wieder an den Größeren schmiegte.

Da sich Drake damals zusammen mit Sophie um ihren Neugeborenen gekümmert hatte, dachte Noah dass Drake sein Vater wäre. Zwar war dies so gesehen nicht der Fall, doch… auf irgendeine Weise schon.

Auf derselben Weise, wie diese kleine Familie wohl zusammen gewachsen war - und anscheinend auch zusammen gehörte.