Die Geburt (Wachstumsquest von Setareh)


Authors
Sallidii
Published
2 years, 4 months ago
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Ein Junge und ein Mädchen, und beide noch dazu so winzig. Hat jemals eine so winzige Doll existiert?

Das Mädchen mit strubbeligem, kurzem Haar öffnete ihre Augen. Das Licht schien sie zu stören, denn sie blinzelte unzufrieden dagegen an und begann schließlich zu weinen, während der Junge in Aris Armen seelenruhig die Augen geschlossen hielt. Das Weinen des Wesens, welches aus ihm entstand, ein Teil von ihm ist, war derartig bizarr, dass nicht einmal Vincent diesen Moment mit seinen wortgewandten Fingern umschreiben könnte. Seine Sicht auf sein Kind, das er in seinen kühlen Armen hielt, wurde verschwommen. Irritiert blinzelte er hinter seiner Brille und realisierte, dass auch er weinte. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals geweint zu haben.
Ariadnas Hand streichelte seine tränenbefleckte Wange und wischte die Feuchtigkeit mit ihren grazilen Fingern fort. Auch ihr entfloh eine einzelne Freudenträne. Es verstrich in ihrer Partnerschaft kein Moment, in dem die Stoffdame nicht bezaubernd war. Jedoch war ihr Lächeln noch nie so wunderschön gewesen wie in diesem Moment, mit der einen Träne auf ihrer Wange.
Setareh und Sitarah, beide mit einer himmlischen Schönheit gesegnet, wurden nach fremdsprachigen Umschreibungen für Sterne benannt. Setareh, der Junge, schlief fast nur und war ein sehr ruhiges Baby. Seine Stirn zierte dasselbe Sternzeichen, das seine Mutter auf ihrem Bauch trägt. Seine aufgeweckte Schwester Sitarah war da ganz anders. Der niedliche Schreihals bestand aus einer nicht enden wollenden Flut an Emotionen. Sie lachte und weinte so unglaublich viel, dass sie manchmal beides gleichzeitig tat und letzten Endes von sich selbst verwirrt verstummte. Über ihren Bauch erstreckte sich ein großes Glaselement in Form eines Sternes. Sie hatte es von ihrem Vater vererbt bekommen, so wie ihre Augen- und Herzfarbe. Beides wunderschöne Geschöpfe... aber was würde nun aus ihnen werden? Sie waren doch so klein, dass sie keinen Tag allein überleben könnten. Würden die frischgebackenen Eltern den Rest ihres Lebens die beiden Schätze hüten müssen? Werden sie sich niemals selbst schützen, gar erwachsen sein können?

"Oh je, aber nicht doch!", stellte Elayne in einem aufklärendem Gespräch dar. Das Pärchen hatte vor einigen Wochen Elaynes Kind gerettet, weshalb sie das Paar in das Geheimnis einweihte, selbst eigenes Leben erschaffen zu können. Nun brauchten sie erneut ihren Rat. "Kennt ihr Wildtiere?", fuhr die Spiritfrau fort, "Sie werden aus einem Teil ihrer Eltern geboren und sind zu Beginn noch ganz winzig. Wie meine und auch eure Kinder." Lächelnd stupste sie Sitarah auf die Nase, welche in Aris Armen zu kichern begann. "Doch, irgendwann... fangen sie an zu wachsen. Sie wachsen und saugen alles auf, was sie in ihrer Umwelt nur aufsaugen können. Sprache, Verhalten, Moral und Werte - sie werden zu eigenen Dolls heranwachsen, so intelligent und erwachsen wie wir. Vielleicht sogar intelligenter oder erwachsener? Nur die Zeit wird das zeigen können..."
Die nun vierköpfige Familie wank Elayne nach, als sie nach gutem Tee und Plausch die Straßen Docordis zu ihrem Heim hinunterlief. Sie weiß so viel. Ohne sie wäre das Paar bereits aufgelaufen, dabei haben sie das neue Leben erst seit wenigen Tagen in den Händen. "Ich freue mich.", flüsterte Ariadna, den Blick noch immer vor sich gerichtet. Die Sonne begann bereits, hinter dem Horizont zu verschwinden. "Ich freue mich, zusehen zu können, wie ein Teil von uns heranwächst. Nicht wie das Spielzeug, das wir zusammen bauen. Eher wie eine zarte Blume, die erblüht."
Bevor sie weitersprechen konnte, küsste Vincent sie. Ein warmes Gefühl breitete sich von seinem Gem in seinen ganzen Körper aus. Er war glücklich.