Kinder (Wachstumsquest von Setareh)


Authors
Sallidii
Published
2 years, 4 months ago
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570

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Liebes Tagebuch,

mit jedem Tag reifen Sitarah und Setareh ein Stückchen mehr heran. Jedoch entwickeln sie sich auch umso unterschiedlicher. Es ist physikalisch nicht möglich, näher verwandt zu sein als die beiden, und dennoch sind sie wie Tag und Nacht. Wie kann das nur sein?
Es beginnt mit ihren Hobbies. Sita liebt alles, was ordentlich Krach macht. Wenn sie nicht singt, erzählt sie unüberhörbar von ihrem Tag. Sie liebt die Musik, so bastelte ich ihr eine Flöte aus Holz und Metall. Nachdem sie eine halbe Stunde darauf spielte, stellte ich die Flöte so ein, dass sie nur noch halb so laut spielt. Meine Ohren fühlten sich an, als würden sie abfallen. Dabei sind sie nicht einmal halb so groß wie die meiner Frau... der ich nachträglich mein Beileid aussprach.
Setareh ist so anders als sie. Ruhig und zurückhaltend. Um die Kinder der Welt zu verstehen, beobachtete ich das Verhalten von jungen Wildtieren. Sie erinnerten mich an meine Tochter, und ließen ein wenig die Sorge um meinen Sohn steigen. Auch die Tiere spielten den ganzen Tag. Auch sie waren laut und wollten nichts anderes als Essen und sich austoben zu können. Wieso will Setareh das nicht? Er sieht seiner Schwester neugierig beim Singen zu, aber möchte selbst nicht. Er möchte kein Musikinstrument haben und tobt sich nur selten aus, das jedoch nur, wenn seine Schwester ihn animiert. Gerade, als meine Sorge um ihn auf einen neuen Höhepunkt war, entdeckte er seine Flügel und somit eine neue Leidenschaft. Ariadna übte das Fliegen mit unserem Sohn, was nur bedingte Erfolge mit sich brachte. Er schafft es bereits, leicht vom Boden abzuheben, aber seine Flügel sind einfach noch nicht stark genug. Mittlerweile nimmt Ari ihn regelmäßig zu Thymele mit, um zu dritt zu üben, während ich der flügellosen Sitarah das Werkeln und Basteln nahe lege. Man kann sie für so Vieles begeistern, es ist unglaublich. Morgen sind wir endlich soweit, unser erstes gemeinsames Mecha-Stofftier fertigzustellen. Ihr Bruder hatte auch eines mit mir angefangen. Er war sogar auf die Idee gekommen, eines basteln zu wollen. Und obwohl ich mit seinem Projekt begann, wurde ich schneller mit dem seiner Schwester fertig, da er nun Flugstunden nimmt. Ich überlege, es ihm zum Geburtstag allein fertigzustellen. Aber wird er dann nicht enttäuscht sein, weil er bei dem letzten Schritt nicht dabei sein konnte? Ich bin mir unsicher...
Jedes Mal, wenn er mit seiner Mutter Heim kommt, beschreibt er mir freudestrahlend seinen Flugfortschritt und führt ihn mir vor. Ich sage ihm jedes Mal, wie stolz ich auf ihn bin. Es ist nur wieder etwas, was ich nicht mit ihm teilen kann. Keine Flügel, keine Stimme... Zumindest das Schreiben haben wir gemein. Vor kurzem hatte er sein erstes Gedicht gehört und wollte sofort selbst eines schreiben. Nun, wo die Kinder langsam aber sicher das Lesen und Schreiben lernen, kann ich detaillierter und mit mehr als vereinfachter Zeichensprache kommunizieren. Das ist eine unglaubliche Erleichterung.
Während Ariadna die letzten Wochen mit den Kindern bei Thymele war, blieb ich Zuhause, um an den Aufträgen weiterzuarbeiten. Wir möchten den Kindern schließlich kein Leben in Armut bieten. Dennoch fühle ich mich Tag für Tag ein wenig einsamer... Ich denke, ich werde mir die nächsten Tage frei nehmen und sie begleiten.
-Vincent