Dorien


Authors
Tanija
Published
5 years, 5 months ago
Updated
5 years, 5 months ago
Stats
2 1837

Chapter 2
Published 5 years, 5 months ago
1009

Mild Sexual Content Mild Violence

Sorry, I can only write in German :')

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2


Immer noch starrte Dorien die Einladungskarte in seiner Hand an. Eine Spendenveranstaltung mit Tanz und Live-Band – nichts, was er irgendwann in seinem Leben vorhatte, zu besuchen. Weder hatte er Geld, noch schätzte er überfüllte, von menschlichen Ausdünstungen verseuchte Räume.

Trotzdem konnte er das Kärtchen, welches allein durch seine aufdringliche Aufmachung und verschnörkelten Schriftzüge Ekel in ihm hervorrief, nicht aus der Hand legen. Es war die kleine, handschriftliche Notiz am Rande der Karte, die seinen Blick gefangen hielt:

Ich habe ein Heilmittel,

Genevieve.

Ein leises Knurren entwich seiner Kehle, als er an Ginny, die Hexe, dachte. Sie war schuld an diesem ganzen Schlamassel, durch sie war es doch erst so weit gekommen. Und nun meinte sie, ein Heilmittel dagegen zu haben? Erneut? Das letzte Mal, dass er sie gesehen hatte, hatte sie dasselbe behauptet – und gelogen. Er sollte für sie einen Auftrag erledigen und dafür das Heilmittel bekommen. Stattdessen sah er sie mehr als ein Jahrzehnt nicht wieder.

Und doch keimte in ihm wieder die Hoffnung. Was, wenn sie dieses Mal nicht log? Andererseits war es für sie ein Leichtes, bei solch einer Menschenmenge schnell unterzutauchen und zu verschwinden. Im Gegensatz zu ihm.

Aber was könnte sie wollen? Sie war zu eigennützig, um es ihm einfach so zu überlassen.

Er sah von der Karte auf und blickte sich, noch immer in Gedanken, um. Die Straße war wie leer gefegt. Es war zu nass, um sich lang draußen aufzuhalten. Nur ein zwei Autos zogen langsam an der Kreuzung ein paar Meter weiter vorbei.

Dorien stand in einer Eingangsnische vor einem großen Billighotel, durch die Fenster der Eingangshalle drang gerade genug Licht, um die Karte zu lesen. Er wusste nicht, wie sie in seine Jacke gelangen konnte, da er sie nicht einmal abgelegt hatte. Außerdem hätte er es gerochen, wäre ihm jemand so nahe gekommen. Bestimmt wieder ein Trick der Hexe.

Er entschied sich, zumindest kurz auf diese Veranstaltung zu gehen. Er würde Ginny auf den Zahn fühlen und sofort wieder verschwinden, wenn es sich als eine Lüge herausstellte.

Allerdings zeigte ihm ein Blick an sich herab, dass er sich so nicht unter die feinen Damen und Herren der Oberschicht würde mischen können. Er sah aus wie... nun ja, ein Penner. Seine Sachen waren dreckig und zum Teil zerrissen und seine Schuhe hatten die besten Tage schon lang hinter sich. Außerdem wusste er, dass sein Gesicht nicht besser aussah – mal ganz abgesehen von dem Bart, der die Hälfte seines Gesichtes bedeckte. Sein Äußeres passte sich schnell seinem Inneren an.

Ein Seufzen war zu hören, als er auf dem Absatz kehrt machte und in den Regen raustrat. Dorien hasste es, sich den Menschen um sich herum anpassen zu müssen. Aber so war es eben am Einfachsten.

Es dauerte nicht lange, bis ihn sein Spürsinn in ein etwas besseres Viertel der Stadt trieb und er nach etwas Suche ein scheinbar leeres Haus fand. In den Fenstern waren keine Lichter zu sehen, auch, als er einen kleinen Rundgang um das Haus machte. Die Gebäude ringsum standen nicht zu nah dran, sodass er nicht befürchten musste, entdeckt zu werden. Schnell war ein Fenster im Erdgeschoss geöffnet und er schob sich durch den schmalen Spalt in ein dunkles Arbeitszimmer.

Drinnen roch es nach Zigarettenrauch, altem Schweiß und Scotch, die Luft war abgestanden, als wären die Fenster länger nicht geöffnet gewesen und es schienen keine Menschen anwesend zu sein. Allerdings roch Dorien ein Tier – ein Hund, der wohl auf die Rückkehr seines Herrchens wartete.

Jener hatte Dorien wohl ebenfalls bemerkt, denn er streckte gerade den länglichen Kopf zur Tür herein. Nach kurzem Zögern und Aufnahme der Witterung fing der Köter an zu winseln, kurz darauf kläffte er los. Dorien ließ kurz seine Kontrolle fahren und knurrte das Tier an. Es war kein normales Knurren, sondern ein tiefer, gutturaler und eindringlicher Ton, der bei dem Tier pure Angst hervorrief.

 „Du sagtest, du hättest das Heilmittel.“

Sie lächelte süffisant unter ihrer Halbmaske hindurch und tänzelte ein paar Schritte von ihm fort. „Und wenn ich gelogen habe?“

Dorien folgte ihr etwas unbeholfen und trat einer feisten Dame mit Pfauenfedern am Hut auf die Füße. Er entschuldigte sich knapp und schloss zu der Hexe auf. Er griff nach ihrem Ar, damit sie sich nicht wieder entwinden konnte. Seine Finger gruben sich tief in ihre Haut. „Das ergäbe keinen Sinn. Außer, du willst etwas Bestimmtes von mir. Du weißt, dass ich kein Geld besitze.“

„Ich wusste, dass du dich nicht freiwillig verwandeln würdest. Deswegen habe ich meinen lieben Freund mitgebracht.“ Sie lächelte und sah auf jemanden hinter Dorien, doch ehe er sich umdrehen konnte, spürte er einen stechenden Schmerz in der Seite.

Nein!

 Er hatte den Geruch des Dienerwesens der Hexe unter all den anderen Gerüchen nicht wahrnehmen können. Die Kreatur hinter ihm trug unauffällige Kleidung und trotz der Maske, konnte er die fahle Gesichtshaut und die schwarzen Augen erkennen. Er war betrogen worden.

Genevieve lächelte und warf ihm einen Handkuss zu, ehe sie lachend in der Menge verschwand. Das Dienerwesen war ebenso verschwunden und Dorien stand allein unter den sich drehenden Tänzern. Er musste hier weg, ehe es ausbrechen konnte!

Er merkte, wie sich das heiße Blut langsam um seine Wunde ausbreitete und von der Kleidung aufgesogen wurde. Mit einer Hand an der Seite und möglichst unauffällig eilte er zu den Toiletten, doch er merkte bereits, wie die Kreatur in ihm vor Wut tobte. Sie wollte raus. Sie wollte Genevieve. Rache.

Doriens Gedanken erlahmten, während er sich in die Herrentoilette schleppte und die Tür verriegelte. Wut und Hass kochten in ihm. Sie hatte ihn betrogen – erneut! Sie musste sterben. Sie hatte es nicht anders verdient. Das waren nicht seine eigenen Gedanken. Zumindest nicht gänzlich.

Verschwinde, raus aus meinem Kopf!